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Fachgruppe Inobhutnahme
AKI
der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH)

Frankfurt/Main
Sektion Bundesrepublik Deutschland
der Fédération Internationale des Communautés Educatives (FICE) e.V.

  

 

Anmerkungen zum neuen Entwurf des § 42 KJHG 

 

Positiv bewerten wir die deutlichere Betonung der Aufnahme als Reaktion auf die Äußerung der Bitte des Kindes oder Jugendlichen.

Problematisch wird sich die Veränderungen hinsichtlich der Festlegung des Endes einer Inobhutnahme auswirken. 

  • Was geschieht nach der Entscheidung des Familiengerichtes – wo kann der Jugendliche/das Kind bleiben?
  • Was geschieht nach der Einleitung des Hilfeplanverfahrens – wo kann der Jugendliche / das Kind bleiben?

Damit ist der gesamte Bereich des Clearings, der Diagnostik, aus der Inobhutnahme als gesetzlicher Auftrag herausgenommen und bekommt einen anderen Stellenwert – vor allem unter dem Aspekt der Steuerung durch das Jugendamt nach § 36a.

Bislang ist es in vielen Einrichtungen und Kommunen so, dass die Inobhutnahme nach Abschluß der Klärung endet – also dann, wenn die Inobhutnahme mit einer Überleitung in eine anschließende HzE-Maßnahme oder einer Rückkehr nach Hause endet. Dies bedeutet, dass der gesamte zeit- und personalintensive Prozess des Clearings oder der Diagnostik in der Inobhutnahme begleitet wird.


Auf diesem Wege wird vermieden, dass Kinder und Jugendliche, die Beziehungsstörungen häufig manifest haben, Wiederholungen in den Abbrüchen erleben, wenn sie in sog. Übergangsgruppen oder –einrichtungen wechseln.

Aufgrund unserer Erfahrungen ist die besondere Situation einer Inobhutnahme mit ihrer „gewissen“ Unverbindlichkeit gerade für Jugendliche mit vielen Abbrucherfahrungen hilfreich, um einerseits wieder am „Hilfesystem“ anzudocken und andererseits durch die vielen Aufnahmen und Entlassungen immer wieder mit der  Frage ihrer eigenen Perspektive intensiv konfrontiert zu werden. Dies führt nach unseren Erfahrungen zu einem hohen Anteil von Jugendlichen, die mit Begleitung intensiv eine Rückkehr ins Herkunftssystem prüfen. Auf diese Weise spart eine kurzfristige intensive Begleitung Mittel aus dem Topf der Jugendhilfe und ist deutlicher Ressourcen orientiert.


Mit der neuen Regelung ist zu befürchten, dass die Clearing- oder Diagnoseaufgabe von der Inobhutnahme getrennt wird und zu erwarten ist, dass angesichts der leeren öffentlichen Kassen die Pflegesätze in der anschließenden HzE-Maßnahme, die gewissermaßen auch Clearing-Funktion haben wird und muss, gedrückt werden und damit auch deutlich die Qualität der sozialpädagogischen Intervention und auch der Interventionsmöglichkeiten der Jugendhilfe sinkt.

Dies führt in der Konsequenz zur Verkleinerung der Tür in die Angebote und Hilfsleistungen der Jugendhilfe aus dem Blickwinkel der Kinder und Jugendlichen. Gerade angesichts der im Moment sehr restriktiven Auslegung der Ansprüche aus dem SGB VIII und der herrschenden Tendenz, Kinder und Jugendliche ins Herkunftsumfeld bzw. Elternhaus zurückzuschicken, kann dies zu einer deutlichen Beschneidung und Kappung der Rechte und Möglichkeiten von Kindern und Jugendlichen führen.

Der Verlust des Zeitfensters, welches bisher vorhanden war,  nimmt auch dem Jugendamt Möglichkeiten im Bereich der Vermittlung und Verhandlung zwischen den Konfliktbeteiligten. Die Beteiligten ( incl. JA ) werden zu schnellen Entscheidungen gezwungen, was sich gerade in familiären Konflikten, die von Kränkungen und gegenseitigen Verletzungen geprägt sind, kontraproduktiv auswirkt.

In der Praxis zeigt sich, dass es einen erheblicher Anteil von Eltern gibt, die bereit sind, einer Inobhutnahme zuzustimmen – oder zumindest nicht zu widersprechen -, um die Konfliktsituation zu klären, keinesfalls aber einen Antrag auf Fremdunterbringung unterschreiben würden. Die Folge wäre ein Ansteigen der Anträge beim Familiengericht und damit die Verlagerung von klassischen Jugendhilfeaufgaben – Klärung von Familienkonflikten – zur Justiz.

Bedauerlich finden wir in der Neufassung den Wegfall der Sicherstellungsverpflichtung des Jugendamts für den Unterhalt und die Krankenhilfe. Dies ist nicht mehr eindeutig formuliert und würde deshalb bestimmt dazu führen, dass sich einzelne Jugendämter weigern bestimmte Unterbringungs- und Krankenhauskosten zu übernehmen.

Das Ende der Inobhutnahme ist in Absatz 4 Nr. 3 mit einem unbestimmten Rechtsbegriff besetzt. Wann ist ein Hilfeplanverfahren eingeleitet? Wenn wir die Beteiligten an einem Tisch haben oder die Einladungen dazu verschickt haben ? Hier wäre eine deutlichere Definition hilfreicher, wie z.B. Einsetzen einer Folgehilfe oder Durchführung der geplanten Hilfe.

Die Herausgabe des Minderjährigen an einen Personensorgeberechtigten bzw. die Einschaltung des Familiengerichts hat unverzüglich nach Klärung der Krisensituation zu erfolgen. Hier wird u.E. eine etwas breitere Zeitphase zur Klärung eingeräumt und erstmalig definiert. Bisher hätte das JA ohne Zeitverzug über Herausgabe entscheiden müssen. Außerdem wird das JA nochmals deutlich – wie in Abs. 2 - zur Klärung der Situation verpflichtet.

Positiv ist auch die eindeutige Erwähnung von minderjährigen Alleinreisenden als Anspruchberechtigte.

Gegen eine Streichung des §43 gibt es keine Einwände, da die gesetzliche Grundlage für die Herausnahme des Kindes oder des Jugendlichen ohne Zustimmung des Personensorgeberechtigten, nun in den §42 mit eingeflossen ist.

Andreas Neumann-Witt
Rüdiger Riehm
Graham Lewis
  
AKI,  2005