Schriftenreihe des Arbeitskreises
Inobhutnahme der IGFH
- Kooperation mit den Jugendämtern -
Herr der
Maßnahme vs. Kollegiale Absprachen
Die Inobhutnahme bewegt sich in dem Spannungsdreieck Kind –
Eltern – Jugendamt.
Das Jugendamt und die Eltern können durch Zustimmung und
Verweigerung die Dauer der IO mitbestimmen. Dies kann weder das Kind,
außer es läuft weg, noch die IO-Stelle.
Während der Inobhutnahme übt das Jugendamt
Teilbereiche der Personensorge aus. Es greift damit massiv in das
Familiensystem ein. Das Recht der Aufenthaltsbestimmung, der Erziehung
und Beaufsichtigung geht für den Zeitraum der IO auf das
Jugendamt über. Es muß aber den
mutmaßlichen Willen der Personensorgeberechtigten angemessen
berücksichtigen.
Damit ist das Jugendamt der Herr der Maßnahme.
Die Personensorgeberechtigten können die IO sofort beenden,
indem sie der IO widersprechen. Das Jugendamt muß dann das
Kind wieder herausgeben oder das Familiengericht anrufen. Die Eltern
können somit Druck auf das Jugendamt ausüben.
Das Kind/der Jugendliche hat einen Rechtsanspruch auf IO, damit enden
die Rechte dann aber schon. Alle weiteren Entscheidungen werden vom
Jugendamt und den Personensorgeberechtigten rechtsverbindlich
getroffen. Dies führt des Öfteren zu dem sogenannten
Drehtüreffekt. Die IO wird gegen den Willen des Kindes
beendet, das Kind geht und kommt abends wieder und besteht auf seinen
Rechtsanspruch. Die IO-Stelle kann lediglich durch Beratung der Eltern
und des Jugendamtes versuchen, die Situation zu verändern.
Schwieriger wird es noch, wenn für die IO-Stelle eine
Aufnahmeverpflichtung besteht. Es entsteht sehr schnell das
Gefühl des Ausgeliefertsein und die Suche nach einem
Schuldigen.
Nur das Jugendamt kann eine Entscheidung über die IO treffen.
Der freie Träger könnte die Befugnis erhalten, ohne
Verwaltungsakt eine IO durchzuführen und das Jugendamt
unverzüglich zu informieren. Damit kann die IO-Stelle
über eine IO über die erste Nacht oder das Wochenende
bestimmen, danach ist sie wieder aus der Verantwortung genommen.
Die Rechte und Pflichten der IO-Stelle sollten in einem Vertrag
geregelt werden, damit keine Mißverständnisse
entstehen können:
-
Durchführung der IO
oder nur Beteiligung,
-
Sozialpädagogische
Beratung oder nur Betreuung, Aufgabenteilung usw.
Aus diesem Konstrukt entstehen in der
Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt, als Herr der Maßnahme,
den Eltern, als Einspruchspersonen und der IO-Stelle, als eine Stelle
mit wenig Rechten und viel Macht, Konflikte.
Die IO-Stelle ist mit dem Kind/dem Jugendlichen ständig im
Kontakt. Sie nimmt ihn in einer Krisensituation auf und verletzt damit
u. U. die Eltern: „Mein Kind geht von mir weg in den
Notdienst“, und verschafft dem/der fallverantwortlichen
Mitarbeiter/in im Jugendamt zusätzliche Arbeit und Druck wegen
der Kosten: „Hätten die nicht genauer
prüfen können“. Lediglich das Kind/der
Jugendliche erscheint erst einmal zufrieden. Dem Jugendamt und den PSB
wird für einen kurzen Zeitpunkt die Kontrolle entzogen.
In dieser Situation ist es erforderlich, dass sowohl die
Mitarbeiter/innen des Jugendamtes als auch die IO-Stelle sich
über ihre gegenseitiges Rollenwahrnehmung und dem eigenen
Rollenverständnis Klarheit verschaffen. Es sollte auch
kommuniziert werden, da es sonst immer wieder zu
Missverständnissen kommt.
Je länger der Aufenthalt des Kindes/Jugendlichen in der
IO-Stelle dauert, desto mehr Einfluss erhält diese und kann
dann schnell eine Ablehnung des Jugendamtes auslösen. Sie
fühlen sich der geballten Macht ausgeliefert und empfinden
einen Kontrollverlust.
Wird durch die Elternarbeit auch noch die Familie eingebunden, hat sich
das Dreieck verändert. Es besteht dann aus den Eltern, dem
Kind und, statt dem Jugendamt, der IO-Stelle. Dies führt zu
einem weiteren Konflikt mit dem Jugendamt.
Treffen Menschen und Institutionen, die Macht haben, in diesem Fall das
Jugendamt auf Menschen und Institutionen, die nur eine informelle Macht
besitzen, müssen die Aufgaben und gegenseitigen
Abhängigkeiten geklärt, ausgesprochen und akzeptiert
werden.
Nur dann heißt es nicht mehr Herr der Maßnahmen vs.
kollegiale Absprachen, sondern Respekt vor den unterschiedlichen
Aufgaben und Verantwortungen.
AKI,
Dezember 2006
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