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Fachgruppe Inobhutnahme
AKI
der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH)

Frankfurt/Main
Sektion Bundesrepublik Deutschland
der Fédération Internationale des Communautés Educatives (FICE) e.V.

  

Schriftenreihe des Arbeitskreises Inobhutnahme der IGFH
- Kooperation mit den Jugendämtern -

    
Herr der Maßnahme  vs.  Kollegiale Absprachen

  
Die Inobhutnahme bewegt sich in dem Spannungsdreieck Kind – Eltern – Jugendamt.
  
Das Jugendamt und die Eltern können durch Zustimmung und Verweigerung die Dauer der IO mitbestimmen. Dies kann weder das Kind, außer es läuft weg, noch die IO-Stelle.
  
Während der Inobhutnahme übt das Jugendamt Teilbereiche der Personensorge aus. Es greift damit massiv in das Familiensystem ein. Das Recht der Aufenthaltsbestimmung, der Erziehung und Beaufsichtigung geht für den Zeitraum der IO auf das Jugendamt über. Es muß aber den mutmaßlichen Willen der Personensorgeberechtigten angemessen berücksichtigen.
  
Damit ist das Jugendamt der Herr der Maßnahme.
  
Die Personensorgeberechtigten können die IO sofort beenden, indem sie der IO widersprechen. Das Jugendamt muß dann das Kind wieder herausgeben oder das Familiengericht anrufen. Die Eltern können somit Druck auf das Jugendamt ausüben.
  
Das Kind/der Jugendliche hat einen Rechtsanspruch auf IO, damit enden die Rechte dann aber schon. Alle weiteren Entscheidungen werden vom Jugendamt und den Personensorgeberechtigten rechtsverbindlich getroffen. Dies führt des Öfteren zu dem sogenannten Drehtüreffekt. Die IO wird gegen den Willen des Kindes beendet, das Kind geht und kommt abends wieder und besteht auf seinen Rechtsanspruch. Die IO-Stelle kann lediglich durch Beratung der Eltern und des Jugendamtes versuchen, die Situation zu verändern. Schwieriger wird es noch, wenn für die IO-Stelle eine Aufnahmeverpflichtung besteht. Es entsteht sehr schnell das Gefühl des Ausgeliefertsein und die Suche nach einem Schuldigen.
  
Nur das Jugendamt kann eine Entscheidung über die IO treffen. Der freie Träger könnte die Befugnis erhalten, ohne Verwaltungsakt eine IO durchzuführen und das Jugendamt unverzüglich zu informieren. Damit kann die IO-Stelle über eine IO über die erste Nacht oder das Wochenende bestimmen, danach ist sie wieder aus der Verantwortung genommen.
  
Die Rechte und Pflichten der IO-Stelle sollten in einem Vertrag geregelt werden, damit keine Mißverständnisse entstehen können:

  • Durchführung der IO oder nur Beteiligung,

  • Sozialpädagogische Beratung oder nur Betreuung, Aufgabenteilung usw.

Aus diesem Konstrukt entstehen in der Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt, als Herr der Maßnahme, den Eltern, als Einspruchspersonen und der IO-Stelle, als eine Stelle mit wenig Rechten und viel Macht, Konflikte.
  
Die IO-Stelle ist mit dem Kind/dem Jugendlichen ständig im Kontakt. Sie nimmt ihn in einer Krisensituation auf und verletzt damit u. U. die Eltern: „Mein Kind geht von mir weg in den Notdienst“, und verschafft dem/der fallverantwortlichen Mitarbeiter/in im Jugendamt zusätzliche Arbeit und Druck wegen der Kosten: „Hätten die nicht genauer prüfen können“. Lediglich das Kind/der Jugendliche erscheint erst einmal zufrieden. Dem Jugendamt und den PSB wird für einen kurzen Zeitpunkt die Kontrolle entzogen.
  
In dieser Situation ist es erforderlich, dass sowohl die Mitarbeiter/innen des Jugendamtes als auch die IO-Stelle sich über ihre gegenseitiges Rollenwahrnehmung und dem eigenen Rollenverständnis Klarheit verschaffen. Es sollte auch kommuniziert werden, da es sonst immer wieder zu Missverständnissen kommt.
  
Je länger der Aufenthalt des Kindes/Jugendlichen in der IO-Stelle dauert, desto mehr Einfluss erhält diese und kann dann schnell eine Ablehnung des Jugendamtes auslösen. Sie fühlen sich der geballten Macht ausgeliefert und empfinden einen Kontrollverlust.
  
Wird durch die Elternarbeit auch noch die Familie eingebunden, hat sich das Dreieck verändert. Es besteht dann aus den Eltern, dem Kind und, statt dem Jugendamt, der IO-Stelle. Dies führt zu einem weiteren Konflikt mit dem Jugendamt.
  
Treffen Menschen und Institutionen, die Macht haben, in diesem Fall das Jugendamt auf Menschen und Institutionen, die nur eine informelle Macht besitzen, müssen die Aufgaben und gegenseitigen Abhängigkeiten geklärt, ausgesprochen und akzeptiert werden.
Nur dann heißt es nicht mehr Herr der Maßnahmen vs. kollegiale Absprachen, sondern Respekt vor den unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortungen.
  
AKI, Dezember 2006