IGfH

Datenschutz / Impressum
  
Start
Aktuelles
Veranstaltungen
Chronik
Satzung
Rahmenbedingungen
Literatur
Materialien
Schriftenreihe
Stellungnahmen


 

 

 

Fachgruppe Inobhutnahme
AKI
der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH)

Frankfurt/Main
Sektion Bundesrepublik Deutschland
der Fédération Internationale des Communautés Educatives (FICE) e.V.

  

Schriftenreihe des Arbeitskreises Inobhutnahme der IGFH
- Kernaufgaben der Inobhutnahme -





Rechtliche Grundlagen:

Auszug aus § 42 SGB VIII zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 
1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen
die Inobhutnahme erfordert und
a) die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b) eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3. ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.

 

Die Kernaufgaben der Inobhutnahme beinhalten im Besonderen:
  1. Unterbringung von Kindern / Jugendlichen zur Schutzgewährung und damit einhergehender Sicherung des Kindeswohls
  2. Sicherstellung der Grundbedürfnisse 
  3. Klärung der Problemlage
  4. Entwicklung von Perspektivmöglichkeiten

 

Zu 1. Schutz der jungen Menschen / Sicherung des Kindeswohls

Die oberste Prämisse im Rahmen der Inobhutnahme ist der Schutz des jungen Menschen und die Sicherung des Kindeswohls.   Die Inobhutnahmeeinrichtung als mögliche Unterbringungsform muss diesen Schutz gewährleisten und dem jungen Menschen diesen sicheren Ort bieten. Zu benennen ist hier der Schutz vor Schädigung durch andere, der Schutz vor Selbstschädigung und der Schutz von Schädigung an anderen.  Dies geschieht durch entsprechende räumliche Voraussetzungen, mit dafür speziell geschultem Fachpersonal und einer  engen Kooperation mit Polizei, ärztlichen Notdiensten und der Kinder- und Jugendpsychiatrie.    

Im Vordergrund steht die Beruhigung und Deeskalation einer krisenhaften Situation und die Sicherstellung eines stabilen Rahmens, in dem sich der junge Mensch wohl und sicher fühlen kann. Mögliche Gefährdungspotentiale werden ermittelt und bei Bedarf die Anonymität sichergestellt.

 
Zu 2. Sicherstellung der Grundbedürfnisse

Dem jungen Menschen ist unverzüglich die Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen (siehe § 42 (2) SGB VIII).  Durch die pädagogischen Fachkräfte erhalten die Kinder und Jugendlichen ein erstes Beziehungsangebot bei der Aufnahme. Hier wird ausführlich über die Inhalte und Rahmenbedingungen der Inobhutnahme, sowie über Rechte und Pflichten aufgeklärt.  Während der Zeit in der Inobhutnahmeeinrichtung  werden durchgängig verlässliche Beziehungsangebote ( vor dem Hintergrund einer Beziehung auf Zeit ) geschaffen und verlässliche Gesprächs- und Kontaktangebote ermöglicht. 

Je jünger die in Obhut genommenen Kinder sind, umso sensibler ist das Tätigkeitsfeld des Fachpersonals. Kinder sind nicht in der Lage die Hintergründe für die Inobhutnahme kognitiv zu erfassen bzw. zu verstehen. Für sie steht ausschließlich die Trennung von den Eltern und die damit verbundene, mitunter unvorbereitete Veränderung des eigenen Lebensumfeldes im Erleben. Kinder reagieren darauf mit unterschiedlichsten Verhaltensäußerungen und Auffälligkeiten. Für die Alltagsgestaltung innerhalb der Inobhutnahmeeinrichtung bedarf es einerseits fürsorglicher und empathischer Mitarbeiterinnen, die den Kindern Trost, Zuspruch und Geborgenheit spenden. Auf der anderen Seite ist ein klare Tagesstruktur, sowie die Aufrechterhaltung bekannter Alltagsstrukturen (z.B. Besuch des Kindergartens) für die Stabilisierung der Kinder unablässig. 

Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge bedürfen eines speziellen Betreuungssettings indem die medizinische Erstversorgung in physischer und psychischer Hinsicht (Traumata) gewährleistet wird und die verwaltungsrechtlichen Vorgaben (Vormundschaft, Asylverfahren, ausländerrechtliche Angelegenheiten, erkennungsdienstliche Behandlung, etc.)  in enger Kooperation mit dem fallzuständigen Jugendamt in die Wege geleitete werden. Bei Sprachbarrieren bedarf es der Unterstützung durch Dolmetscherdienste.                              

Die Kinder und Jugendlichen werden  ihrem Alter und ihren Bedürfnissen entsprechend in eigenen Zimmern untergebracht,  die Rückzugsmöglichkeiten bieten, aber auch den Zugang zu sozialen Kontakten ermöglichen. Eine altersentsprechende Verpflegung, die Rücksicht auf Religion und Weltanschauung bietet, gesundheitliche Einschränkungen berücksichtigt und Wahlmöglichkeiten lässt, ist selbstverständlich. 

Hygieneartikel und im Bedarfsfall Notbekleidung werden zur Verfügung gestellt.     

Eine Einschätzung des gesundheitlichen Zustandes und die Einleitung medizinischer Versorgung, sowie bei Bedarf die Sicherstellung von Beweisen beim Vorwurf von Misshandlung und sexuellem Missbrauch durch den Arzt, bzw. durch die Rechtsmedizin müssen initiiert werden.

Den Kindern und Jugendlichen soll  schnell der Zugang zu Bildung ermöglicht werden. Dies geschieht, falls möglich durch den weiteren Besuch ihrer gewohnten Schule, bzw. der Kindertagesstätte, die Belegung von Sprachkursen oder durch  individuelle Förderangebote.

Bei der Gestaltung  ihrer Freizeit benötigen die Kinder und Jugendlichen ein altersentsprechendes Angebot, Unterstützung und Begleitung durch das Fachpersonal und die Bereitstellung von Spiel -, Bastel-, und sonstigem Beschäftigungsmaterial.

Eine klare verlässliche Tagesstruktur  mit durchschaubaren und nachvollziehbaren Regeln gibt den Kindern und Jugendlichen Halt und Sicherheit.


Zu 3.
Klärung der Problemlage

Zu Beginn der Inobhutnahme erfolgt eine ausführliche Datenerfassung. Das  in Obhut nehmende, zuweisende Jugendamt gibt alle relevanten Informationen an die Einrichtung weiter und stellt evtl. Unterlagen zur Verfügung (aktuelle Berichte, Hilfepläne, Diagnostiken usw.). Die Inobhutnahmeeinrichtung muss über besonders herausfordernde Verhaltensweisen des jungen Menschen oder über besondere Bedürfnisse aufgeklärt werden.  Der junge Mensch erhält die Möglichkeit die Problemlage ausführlich aus seiner Sicht zu beschreiben. Es ist erstrebenswert möglichst genaue Informationen über die momentane Lebenslage und alle Lebensbereiche  zu sammeln. Hierzu zählen das Leben in der Familie oder dem sonstigen Lebensumfeld, die Schule, das Freizeitverhalten, der Freundeskreis, bisherige Erfahrungen mit Jugendhilfe oder sonstigen Helfersystemen. Die Sorgenberechtigten erhalten ebenfalls die Möglichkeit die Problemlage aus ihrer Sicht zu schildern. Hilfreich ist es, in Erfahrung zu bringen, welche Hilfen in der Vergangenheit schon in Anspruch genommen wurden und wie sie gewirkt haben. Ebenso über welche Ressourcen die Familie und der junge Mensch verfügen.  Evtl. können wichtige Informationen durch weitere Bezugspersonen eingeholt werden. Die Datenschutzbestimmungen sind grundsätzlich immer zu beachten.

 
Zu 4. Entwicklung von Perspektivmöglichkeiten

Je besser die Problemlage eingeschätzt und eingegrenzt werden konnte, umso leichter können hilfreiche Perspektiven entwickelt werden. Der junge Mensch und die Sorgeberechtigten sind hier grundsätzlich im Rahmen der Möglichkeiten mit einzubeziehen. Die Einrichtung und das Jugendamt stehen in engem Kontakt, treffen klare Absprachen und tauschen sich  über neue Entwicklungen aus.
Es sollte möglichst rasch eine Klärung über den künftigen Ort und die Ziele der Erziehung herbeigeführt werden. Besteht die Möglichkeit der Rückführung in das gewohnte Lebensumfeld, müssen die Bedingungen dafür klar benannt und die Möglichkeiten zur Umsetzung gegeben sein. Die pädagogischen Fachkräfte  der  Inobhutnahmeeinrichtung unterstützen den jungen Menschen darin, dass die Entscheidung vorangetrieben wird, transparent und nachvollziehbar und im Sinne der Kinder und Jugendlichen ist.
Der junge Mensch erhält im Rahmen der Inobhutnahme die Möglichkeit in Ruhe darüber nachzudenken und heraus zu finden, was er sich für seine Zukunft wünscht, welche Rahmenbedingungen er für seine Weiterentwicklung braucht und was er bereit ist dafür zu investieren. Das Fachpersonal bietet dafür, dem Alter und dem Entwicklungsstand entsprechende Methoden an. Sehr wichtig für alle Beteiligten ist ein guter Informationsfluss  über den jeweiligen aktuellen Sachstand  und für den jungen Menschen die  Gewissheit,  dass eine Klärung zeitnah forciert wird.

siehe auch Notfallset:   

 

Neben den Kernaufgaben kann der Bedarf von Zusatzaufgaben entstehen:

Zu nennen sind hier zum Beispiel:
-          Diagnostische Verfahren durch den Fachdienst für die Perspektivklärung
-          Einzelbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausfordernden Verhaltensweisen
-          Einzelförderung bei starken Entwicklungsverzögerungen
-          besondere Schutzmaßnahmen
-          individuelle Beschulungsangebote

-          Stabilisierungsmaßnahmen bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen


16.03.2015


Fachgruppe  Inobhutnahme
Anita Lurz, Karin Golla, Claudia Sailer